HolisticSecurity

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Vier Säulen einer holistischen Sicherheitskultur:

Sicherheit im öffentlichen Raum wird längst nicht mehr ausschließlich durch staatliche Institutionen gewährleistet. Zunehmend tragen auch zivilgesellschaftliche, kommerzielle und aktivistische Akteur:innen Verantwortung – insbesondere in Kontexten wie Veranstaltungen, Clubs oder politischen Räumen. Doch oft bleibt die Definition von „Sicherheit“ eng gefasst: Physische Schutzmaßnahmen dominieren, während psychosoziale Aspekte, Schutz vor Diskriminierung und kollektive Fürsorge in den Hintergrund treten. Marginalisierte Gruppen wie Schwarze Menschen, Muslim:innen oder Rom:nja und Sinti:zze erleben dadurch eine doppelte Verschiebung – als Risiko markiert, aber selbst ungeschützt.

Mit HolisticSecurity wollen wir diese Schieflagen sichtbar machen und alternative Konzepte stärken. In einem mehrmonatigen Prozess haben wir Interviews geführt, Labs veranstaltet und Auswertungsworkshops organisiert, gemeinsam mit Menschen aus Sicherheitsdiensten, Awareness-Teams, Behörden und Community-Zusammenhängen. Die Ergebnisse zeigen: Sicherheit ist keine neutrale Dienstleistung, sondern ein umkämpftes Feld. Es geht um Macht, Verantwortung und die Frage, wer sich wie sicher fühlen darf. Die hier vorgestellten vier Säulen bilden zentrale Spannungsfelder ab – zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Kontrolle und Care, institutionellen Routinen und gemeinschaftlichem Aushandeln.

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Die erste Säule richtet den Blick auf die Grundlagen professioneller Sicherheitsarbeit. Der bestehende § 34a-Schein bildet zentrale Kompetenzen nicht ab. Soziale, interkulturelle und emotionale Fähigkeiten bleiben marginal, Prüfungsstrukturen reproduzieren Ausschlussmechanismen und Zertifikate suggerieren Qualität, ohne sie einzulösen. Prekarität und fehlende Schulungsfinanzierung verschärfen die Problematik. Zugleich zeigen Diskussionen und Praxisbeispiele neue Wege – etwa interne Awareness-Schulungen oder Vorschläge für eigenständige Awareness-Zertifikate. Hier deutet sich ein Paradigmenwechsel an: weg von technischer Kontrolle, hin zu relationalem Wissen, das Verantwortung, Diversität und Fürsorge integriert.

01. Ausbildung (neu) denken

→ Learning Security

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Die zweite Säule befasst sich mit der fragmentierten Kooperationslandschaft. Das Material zeigt, dass Kooperationen meist personenabhängig und nicht institutionell verankert sind. Vertrauen entsteht durch Einzelne, nicht durch Strukturen. Zwischen Behörden und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen bestehen Spannungen zwischen Zusammenarbeit und Co-Optierung. Zudem geht Wissen oft bei Personalwechsel verloren. Diese Erfahrungen verdeutlichen, dass multiperspektivische Sicherheit Beziehungsarbeit erfordert – jenseits hierarchischer Zuständigkeitslogiken.

02. Zusammenarbeit gestalten

→ Holding Relations

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Die dritte Säule beschreibt Sicherheit als kollektive Praxis. Viele Community-Strukturen arbeiten unter prekären Bedingungen und verantworten Care-Arbeit, die unbezahlt oder unsichtbar bleibt. Fehlendes Verwaltungswissen erschwert die institutionelle Teilhabe, und bürokratische Codes wirken als Barrieren. Gleichzeitig ist „Community“ kein harmonischer Raum: Aushandlungen, Konflikte und Exklusion zeigen, dass vermeintliche Zugehörigkeit keine Garantie für Sicherheit ist. Aus den Auswertungen entsteht hier eine doppelte Bewegung: Einerseits das Bedürfnis nach Absicherung und Infrastruktur, andererseits das Bewusstsein, dass Sicherheit geteilt werden muss. Kollektive Sicherheit heißt, Verantwortung zu verteilen, Care-Arbeit zu entlohnen und Räume für transformative Konfliktbearbeitung zu schaffen.

03. Kollektive Sicherheit leben

→ Building Safety Together

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Die vierte Säule befasst sich mit der Schnittstelle zwischen Awareness und Security – ein Querschnittsthema und zentrales Spannungsfeld. Awareness-Teams beschreiben ihren Ansatz als Sorge um den Raum, während klassische Sicherheitsarbeit auf Kontrolle und Entfernung setzt. Diese unterschiedlichen Logiken treffen in der Praxis aufeinander: Hierarchie, Zeitdruck und institutionelle Routinen schränken Handlungsspielräume ein. Die Auswertungen zeigen zugleich, dass Sicherheit neu gedacht werden kann, wenn Entscheidungen geteilt werden. Ein holistischer Ansatz betrachtet Schutz als gemeinsame Aufgabe – als Begleitung statt Bewachung. Sicherheit wird so zu einer ethischen und politischen Praxis, die Macht, Verantwortung und Care miteinander verschränkt.

04. Sicherheit anders entscheiden

→ Deciding with Care

Von der Ausnahme zur Struktur — Weaving Otherwise versammelt konkrete Gegenmodelle zur dominanten Sicherheitslogik: Sicherheit wird nicht als staatliches Monopol oder Dienstleistung verstanden, sondern als kollektive Verantwortung. Aus dem Prozess entsteht eine Vision von Sicherheit, die auf Beziehung, Gerechtigkeit und Fürsorge gründet. Gefordert werden neue Ausbildungswege, die auf Reflexion statt Kontrolle setzen, kooperative Strukturen jenseits institutioneller Fragmentierung, eine Anerkennung von Care-Arbeit als tragende Infrastruktur und eine Ethik geteilten Entscheidens. In all dem wird Sicherheit neu gedacht als demokratische Praxis, die erhalten statt ausschließen will.

Von der Ausnahme zur Struktur

→ Weaving Otherwise

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Projekteinleitung

01. Ausbildung (neu) denken
→ Learning Security

02. Zusammenarbeit gestalten

→ Holding Relations

03. Kollektive Sicherheit leben
→ Building Safety Together

04. Sicherheit anders entscheiden

→ Deciding with Care

Von der Ausnahme zur Struktur

→ Weaving Otherwise


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